Aller Anfang ist schwer
Ich erinnere mich noch gut an meine Yogaanfänge.
Eigentlich hatte ich gar nicht vor gehabt mit Yoga zu beginnen. Ein Freund fragte mich damals, ob ich mit ihm zu einem Yoga- und Surfretreat nach Marokko kommen möchte. Beides war mir neu und ich hatte Lust auf Abwechslung, also sagte ich spontan ‚ja‘. Zu der Zeit ging es mir nicht sonderlich gut. Mein Studium forderte mich sehr und nachdem ich zwecks diesem nach Trier gezogen war, ging meine langjährige Beziehung in die Brüche was mich auch Jahre später noch emotional tief erschütterte. Zeitgleich hatte ich schwer mit meinem Körper zu kämpfen, weil ich die jahrelange hormonelle Verhütung absetzte, die ich recht früh in meinem Leben begonnen hatte. Mein komplettes System war ein einziges Chaos und während ich mit unreiner Haut und einer Aneinanderreihung von Mandelentzündungen Antibiotika in mich reinschaufelte, kam der Supergau – die Diagnose einer Autoimmunerkrankung. Ich will nicht lügen, mir ging’s dreckig und dieser Urlaub kam für mich wie gerufen.
Ich hatte lange Zeit Ballett getanzt und darum ging ich davon aus, dass Yoga kein großes Ding für mich sein würde… easy. Meinen ersten Einblick hatte ich dann auf einer Dachterrasse in Marrakech. Nur ein paar kleine Bewegungsabfolgen, eine kleine Dehnung, die den Brustkorb weit werden lässt und da kam es ganz tief aus mir heraus, ein Schluchzen verließ meinen Körper ohne Vorankündigung. Ich musste aus dem Nichts weinen und ich weiß bis heute nicht warum. Was ich aber weiß ist, dass ich es heute genießen kann, wenn mir so etwas passiert, denn so seltsam es vielleicht klingen mag: Hier passiert Heilung, hier lösen sich Emotionen, die wir schon viel zu lange in uns tragen. Damals versuchte ich es zu unterdrücken und ließ es nicht so zu wie ich es gebraucht hätte, ich schämte mich und verstand nicht was los war.
Alle darauffolgenden Yogastunden waren ein Kampf für mich. Nicht aus Angst, dass sich dieser Vorfall wiederholen würde, sondern weil ich andere mentale Blockaden hatte, die sich gegen das Neue wehrten. Schon immer war ich empfindlich bei anatomischen Themen, wenn über die Funktion von Muskeln, Gelenken und Sehnen gesprochen wurde, wollte ich weglaufen. Mich während den Bewegungsabfolgen damit auseinanderzusetzen, was da in dem Moment in meinem Körper geschah war für mich wortwörtlich eine Qual, eine Phobie die getriggert wurde. Es machte mich nervös und wütend und einige dieser Stunden habe ich vorzeitig verlassen, oder bin erst gar nicht hin gegangen. Ich habe es förmlich gehasst. Gleichzeitig nervte mich die Tatsache, dass mir Yoga doch eigentlich liegen sollte. Ich liebte Ballett und diese Form von Körperarbeit. Darin war ich immer gut und mein Ehrgeiz konnte nicht akzeptieren, dass ich hier an dieser Kopfsache scheitern sollte.
Wieder zu Hause meldete ich mich zusammen mit einer Freundin für einen regelmäßigen Kurs an. Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen. Einmal pro Woche überwand ich mich und ging zum Yoga. Seltsam… jedes Mal, wenn ich danach heim ging fühlte ich mich so viel leichter, als wäre mein Geist geklärt worden, als könnten meine Augen besser sehen. Ich war ruhiger und besonnener, wenn ich auch vor der Yogastunde genervt und vielleicht sauer von Dingen war. Ich musste mir eingestehen, dass ich richtig froh war, mich zum Kurs geschleppt zu haben. Meine Abneigung kehrte sich um in ein willkommen heißen und die Annahme dessen, was hinter diesem Groll steckte. Ich musste mich zwar anstrengen meine Phobie zu beruhigen, anstatt mich von ihr kontrollieren zu lassen, aber auch das gelang mir immer besser und ich spürte, dass sie mehr und mehr von mir wich. Als der Kurs vorbei war, begann ich gleich den nächsten.
Jahre später, Ende 2020 entschied ich mich dann den Schritt zu wagen und eine 200h Vinyasa Yogalehrer Ausbildung zu machen. In erster Linie wollte ich für mich tiefer tauchen und mehr über Yoga und seine Wirkung erfahren, mich intensiv mit der Materie auseinandersetzen. All das, was ich die Jahre zuvor kennengelernt hatte, bekam nun einen Namen und wurde zum Werkzeug, das ich lernte gezielt für mich einzusetzen, aber auch an andere Menschen weiterzugeben. Es ist ein Prozess, auf den ich zurückschauen kann und doch ist er noch lange nicht abgeschlossen. Es war ein Anfang und der musste gemacht werden, um den Weg zu gehen auf dem ich mich nun befinde und weiterlaufe, weil ich spüre, dass noch immer so viel Potenzial für mich und andere darin liegt.
Diese Geschichte hat mich eine wichtige Lektion gelehrt:
Unsere größten Widerstände bergen oft auch unser größtes Potenzial. Dort lohnt es genauer hinzuschauen, weich zu werden, alte Denkmuster los- und Wachstum zuzulassen. Es birgt die Möglichkeit uns selbst und damit auch anderen ein großes Geschenk zu machen.